Archive for März 2007

Selbst die Grünen haben es gemerkt…

30. März 2007

In einem bemerkenswerten Interview mit der FAZ hat sich der den Grünen angehörende Bürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, zur ungeheuren Bürokratie im Zusammenhang mit den Fahrverboten in den Innenstädten geäußert. Insbesondere die Frage der Nachrüstung von Altfahrzeugen mit Rußpartikelfiltern ist hier besonders zweifelhaft. Man kann sich zwar als Halter einen solchen Filter einbauen lassen, es gibt jedoch noch keine PLakette dafür. Auch müssen Anwohner für einfache Fahrten Sondergenehmigungen ausgestellt bekommen. MIt Umweltschutz hat das wenig zu tun, wohl aber mit Gängelung der Bürger durch Bürokraten.

Das Leben könnte so einfach sein, wenn man sich darauf konzentrieren würde, die anstehenden Probleme – sofern es denn wirklich welche sind – anzupacken, nach vorne zu denken und Lösungen zu fördern. Statt dessen hat sich hierzulande in der Politik ein hoher Grad an Hysterie breit gemacht, der nichts anderes als Aktionismus nach sich zieht. Dieser Aktionismus besteht in der Regel nur nochaus Verboten und Einschränkungen. Oberbürgermeister Palmer hat sehr Recht, wenn er die beschleunigte technische Lösung einfordert, statt, bürokratischer Monster.

Politik verkommt in unserem Land zunehmend zur Verwaltungsangelegenheit. Bürokraten entscheiden über den Lauf der Dinge. Man kann von Bürokraten aber keine Strategie der Lösungsfindung erwarten, denn ihre Aufgabe ist es, in bestehenden Regelungsmechanismen zu denken. Daher kann der Apell nur sein, daß man wieder mehr politische Entscheidungen bei den Mandatsträgern erwarten soll, die sich an der praktischen Lösung orientieren und weniger am schnell-schnell eines aktionistischen Gehabes, das sich pressewirksam verkaufen läßt aber am Ende nichts als Umsände bringt.

.Carsten Jung

Mehr Chancengerechtigkeit in der Hauptschulausbildung

21. März 2007

Die Hauptschulausbildung bietet heute keine Perspektive mehr für ihre Absolventen.
Es war ein schleichender Prozeß seit dem Ende der 80er Jahre, als Firmen für ihre Lehrplätze nur noch Abiturienten einstellten. Die Anforderungen an die Lehrlinge sind dann in den 90er Jahren mit technologischen Entwicklung weiter angestiegen. Die Ausbildungsinhalte und vielfältige gesellschaftliche Veränderungen sind in der gleichen Zeit aber eher gegenläufig gewesen. Die heutige Situation ist die, daß Hauptschüler mit der ersten Unterrichtsstunde in diesem Schulzweig bereits gesellschaftlich verloren haben. Diese Gesellschaft kann Hauptschülern keine wirkliche Zukunftsperspektive mehr bieten.

Die Folge ist, daß immer mehr Eltern, trotz anderslautender Empfehlungen, ihre Kinder in die Realschule schicken, oder gar ins Gymnasium, wo sie in der Regel völlig überfordert sind. Aber die Eltern sehen in diesem Schritt den einzigen Weg, Ihren Kindern von der Ausbildung her eine Zukunft zu geben.
Die Verteilung eines Schülerjahrgangs auf die unterschiedlichen Schulformen ist in arge Schieflage geraten. Die Qualität des Unterrichts und der individuellen Förderung der Schüler leidet darunter sehr. Man muß bedenken, daß es einmal normal war, daß 40% eines Schülerjahrgangs die Hauptschule besuchten. Deren Absolventen kamen in der Regel auch im Arbeitsmarkt unter. Heute ist dies mit den gestiegenen Qualifikationsanforderungen in den Berufen nicht mehr der Fall. Die Hauptschule bildet inhaltlich am Bedarf vorbei aus. Die Vermittlung der Inhalte wird zudem durch die immensen integrative Anforderungen an die Schule gestört. Hier müssen neue Wege und Lösungen gefunden werden.

Die SPD ist bestrebt, dem Mißstand in der hauptschulischen Ausbildung dadurch zu begegenen, indem die Einheitsschule bzw. die Integrierte Gesamtschule gefördert wird. Kurt Beck entzieht sich diesem heiklen Thema vordergründig, indem er offiziell vorgibt, keine weiteren IGS gründen zu wollen. Seine Bildungsministerin jedoch animiert offen Lehrer- und Elternverbände dazu, die IGS in ihren jeweiligen Orten zu fordern, damit die Regierung hier „helfend aktiv“ werden könne.

Gegen dieses Vorgehen ist der Großteil der Elternschaft. Insbesondere die Eltern der Realschüler und der Gymnasiasten befürchten zurecht eine Verschlechterung ihrer Ausbildung durch die Einführung der IGS.
Wir stehen einem inhaltichen Problem gegenüber: die Hauptschule erfüllt nicht mehr den ausbilderischen Zweck, ihre Schüler für den Arbeitsmarkt fit zu machen. Es müssen also neue inhaltliche Konzepte her, die Hauptschule fit zu machen für die heutigen Anforderungen. Eine Vermischung der Hauptschüler mit denen der anderen Schulzweige verdeckt das Problem, löst aber nicht die Aufgabe!

Anstatt also das x-te ideologische Experiement in der Bildungspolitik zu starten und dabei noch alte Hüte wie die IGS hervorzuzaubern, ist es notwendig, den Hauptschülern selber zu helfen. Das heißt, die Lerninhalte und die Förderung insbesondere im integrativen Bereich – nicht nur für Migrantenkinder – in diesen Schulen völlig neu zu konzipieren, um den Schülern eine Perspektive zu bieten. Die Einheitsschule hilft hier keinen Schritt weiter.